Gewindedrehen – präzise Gewinde für optimalen Halt

Ohne Gewinde würde die Welt um uns herum auseinanderfallen. Vom Antriebsstrang im Auto über das Heizungssystem im Eigenheim und die Bremse am Fahrrad bis zu Kugelgewindetrieben in Werkzeugmaschinen: Das Gewinde ist allgegenwärtig und bietet verschraubten Bauteilen den notwendigen Halt.
Doch wie werden Gewinde eigentlich hergestellt? In der metallverarbeitenden Industrie kommen hier verschiedene Verfahren zum Einsatz: Neben dem Gewindeschneiden haben sich auch das Gewindedrehen, das Gewindewalzen und das Gewindefräsen bewährt. In diesem Beitrag gehen wir im Detail auf das Gewindedrehen ein: Bei diesem Verfahren wird ein Gewinde erzeugt, indem ein Schneidwerkzeug an ein rotierendes Werkstück herangeführt wird und von diesem spiralförmig Material abträgt.

Das Gewindedrehen ähnelt in seiner Herangehensweise anderen Fertigungsverfahren auf der Drehmaschine: Dabei wird ein Schneidwerkzeug mit einer definierten Form an das rotierende Werkstück herangeführt und erzeugt die charakteristische Spiralform. Wichtig ist, dass alle Parameter genau aufeinander abgestimmt sind. H2 Gewindedrehen

Gewindedrehen in der Praxis – von Werkzeugwahl bis Nachbearbeitung

Das Gewindedrehen gehört sicher zu den anspruchsvolleren Fertigungsverfahren, die auf einer Drehmaschine durchgeführt werden können. Das liegt daran, dass die Qualität der Gewindekontur ganz entscheidend von der richtigen Wahl des Werkzeugs und der Einstellung der Drehparameter wie Neigungswinkel, Schnitttiefe und Vorschub abhängt. Schon kleine Abweichungen können dazu führen, dass das Gewinde nicht mehr normgerecht ist und später im Einsatz verkantet oder nicht den gewünschten Halt bietet. Zudem gelten beim Gewindedrehen sehr hohe Anforderungen, da es sich meist um den letzten Arbeitsschritt der Teilebearbeitung handelt.
Die folgende Schritt-für-Schritt-Anleitung für das Gewindedrehen zeigt, wie das perfekte Gewinde an der Drehmaschine gelingt:

Schritt 1: Werkzeug auswählen, einspannen und ausrichten
Das Werkzeug beim Gewindedrehen besteht aus einem Klemmdrehhalter, einer Unterlegplatte und einer Gewindedrehplatte bzw. Wendeschneidplatte. Der Klemmdrehhalter dient der Befestigung des Werkzeugs in der Aufnahme der Drehmaschine. Bei der Auswahl des Klemmdrehhalters ist zum einen darauf zu achten, dass dieser eine passende Schaft- und Plattengröße aufweist. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass es Drehhalter für Links- und für Rechtsgewinde gibt.

In Richtung Futter:

  • Rechtsgewinde mit Gewindeplatte rechts und Halter rechts
  • Linksgewinde mit Gewindeplatte links und Halter links

In Richtung Drehbankspitze:

  • Rechtsgewinde mit Gewindeplatte links und Halter links
  • Linksgewinde mit Gewindeplatte rechts und Halter rechts

Die Wahl der Wendeschneidplatte ist davon abhängig, wie das Gewinde später einmal aussehen soll. Das Profil der Schneidplatte entspricht der Form des Gewindes. Eine Wendeschneidplatte mit einem Winkel von 60 Grad eignet sich beispielsweise für das klassische, metrische 60-Grad-Gewinde.
Darüber hinaus gibt es bei Wendeschneidplatten unterschiedliche Profiltypen: Vollprofil, Teilprofil und Semiprofil. Der Unterschied ist unten in der Box erklärt. Nach der Wahl des richtigen Werkzeugs gilt es dann, das Werkzeug präzise im rechten Winkel zum Werkstück auszurichten, um ein möglichst symmetrisches Gewinde zu erzeugen.

Vorsicht beim Einspannen des Werkstücks

Voll-, Teil- oder Semiprofil?
Bei der Auswahl des Profiltyps können Sie sich an dieser Unterscheidung orientieren:

  • Drehplatten mit Vollprofil erzeugen ein normgerechtes Gewinde, das exakt dem geforderten Innen- und Außendurchmesser entspricht. Diese Plattentyp erlaubt allerdings keine Variation von Profil und Steigung – für jeden Gewindetyp und Größe ist eine eigene Profilplatte notwendig.
  • Drehplatten mit Teilprofil sind in der Praxis etwas flexibler, mit diesem Profil können unterschiedliche Steigungen erzeugt werden. Wichtig ist, dass beispielsweise bei der Herstellung eines Außengewindes der Außendurchmesser nicht mitbearbeitet wird und dadurch auch kein normgerechtes Gewinde entsteht.
  • Drehplatten mit Semiprofil sind für Sonderfälle geeignet, etwa für sehr große Steigungen und eine trapezförmige Gewindekontur.

Schritt 2: Zustellverfahren wählen, Unterlegplatte anbringen und Parameter einstellen
Wie einleitend bereits erklärt wurde, gehört das Gewindedrehen durchaus zu den anspruchsvollen Fertigungsverfahren. Das liegt an den vielen verschiedenen Parametern, die einen Einfluss auf das Ergebnis haben. Daher gilt: Eine sorgfältige und fachgerechte Einstellung von Werkzeug, Werkstück und Prozessparametern ist die halbe Miete.

1. Art der Zustellung

Zunächst ist die Art der Zustellung wichtig. Dabei ist zunächst wichtig zu verstehen, dass beim Gewindedrehen verschiedene Durchgänge notwendig sind, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Die Zustellung beschreibt, an welcher Position (auf der X-Achse) die Bearbeitung in jedem Durchgang startet. Im einfachsten Fall – der Radialzustellung – erfolgt die Zustellung ohne Versatz, also immer an der gleichen Stelle. Diese Art der Zustellung eignet sich vor allem bei geringen Steigungen (<1,0 mm) und ist beim manuellen Gewindedrehen meist die beste Wahl. Alternativ gibt es noch die Flankenzustellung, die vor allem auf CNC-Drehmaschinen und bei größeren Steigungen eingesetzt wird.

  • Radialzustellung

    Die Radialzustellung erfolgt ohne Versatz der Startposition auf der Z-Achse. Sie ist die einfachste Methode und auf manuellen Maschinen gut umsetzbar. Die Zustellung erfolgt senkrecht zur Drehachse. Durch die spanabhebende Bearbeitung auf beiden Flanken des Profils wird ein V-förmiger Span bei jedem Durchgang erzeugt, der zu einer schlechten Spankontrolle führt. Ein weiterer Nachteil ist die erhöhte Vibrationsneigung bei zunehmender Umschlingung der Platte. Bei der Radialzustellung entsteht ein gleichmäßiger Schneidenverschleiß an beiden Flanken.

    Die radiale Zustellung wird empfohlen bei:

    • Steigungen kleiner als 1,0 mm oder kleiner 24 Gänge/Zoll
    • Hartbearbeitung, da geringste Reibung an der Schneide
    • kaltverfestigten Werkstoffen (besonders geeignet für austenitische rostfrei Stähle)
    • kurzspanenden Werkstoffen (beste Zustellart)

  • Flankenzustellung

    Die meisten CNC-Drehmaschinen sind auf diese Methode vorprogrammiert. Die Flankenzustellung erfolgt durch einen Z-Achsen-Versatz in Vorschubrichtung und ist die meist eingesetzte Zustellungsart in der Praxis. Da der ungünstige V-Span nur beim ersten Durchgang entsteht, ist der Spanfluss gut zu kontrollieren.

    Zu empfehlen ist diese Methode bei:

    • Steigungen größer 1,0 mm oder größer 24 Gänge/Zoll
    • Trapez-Gewinde
    • als Abhilfe bei Vibrationsneigungen, da der Hauptspan in Vorschubrichtung entsteht
    • guter Spanflusskontrolle

    Da diese Zustellung parallel zur Gewindeflanke erfolgt, kann diese gängige Bearbeitungsform zu Problemen wie erhöhte Reibung an der dem Vorschub abgewandten Flanken (Schneidplatte schneidet hier nicht) führen. Ein weiterer Nachteil ist ein schwierig umsetzbare Einzelsatzprogrammierung und somit ein Gewindezyklus für die Bearbeitung Voraussetzung.

    Modifizierte Flankenzustellung:

    Diese Zustellungsart unterscheidet sich von der oben beschrieben Flankenzustellung dahingehend, dass die Zustellung nicht parallel zur Flanke erfolgt. Der Zustellwinkel ist gegenüber dem Flankenwinkel des Gewindes um etwa 1-5° reduziert. Dies hat zur Folge, dass die Zustellungsart alle Vorteile der oben genannten Flankenzustellung, aber nicht den Nachteil der erhöhten Reibung, hat. Durch die Modifikation ist immer ein gewisses Aufmaß an der abgewandten Flanke vorhanden. Folglich schneidet jetzt die Profilplatte und reibt nicht mehr.

  • Wechselseitige Zustellung

    Die Aufteilung der Bearbeitung erfolgt auf beide Flanken. Bei der wechselseitigen Zustellungsart wird abwechselnd in Plus- und Minus-Richtung der Durchgangsstartpunkt auf der Z-Achse versetzt. Diese Methode ermöglicht lange Werkzeugstandzeit durch einen gleichmäßigen Verschleiß entlang der Schneidkante. Auch hier besteht der Nachteil, dass eine Einzelsatzprogrammierung schwierig umsetzbar und somit ein Gewindezyklus für die Bearbeitung Voraussetzung ist.
    Zu empfehlen ist diese Methode bei:

    • sehr großen Steigungen
    • sehr spitzen Gewindeprofilen
    • langspanenden Werkstoffen

2. Anzahl der Durchgänge

Um ein perfektes Gewinde zu drehen, sind mehrere Durchgänge erforderlich. Die genaue Anzahl hängt nicht nur von den Eigenschaften des Werkstoffs, sondern auch von der Steigung des Gewindes und einigen weiteren Parametern ab. In einschlägigen Tabellen können Sie die Anzahl der Durchgänge in Abhängigkeit der relevanten Parameter ablesen. Typisch sind fünf Durchgänge bei geringen Steigungen und bis zu 20 Durchgänge bei sehr großen Steigungen.

Steigung
[mm]
0,500,751,001,251,501,752,002,503,003,504,004,505,00
Gänge/Zoll48322420161412108765,55
DurchgängeStandard Geometrie4-64-74-85-96-107-127-128-149-1610-1811-1811-1912-20
Gesinterter Spannbrecher CB3-43-43-54-65-66-88-109-1210-14

3. Unterlegplatte auswählen

Damit das fertige Gewinde genau die richtige Steigung aufweist, wird unter die Wendeschneidplatte eine Unterlegplatte gelegt. Diese weist einen Neigungswinkel auf, der für die korrekte Steigung des Gewindes sorgt. Um die erforderliche Neigung der Unterlegplatte zu ermitteln, können Sie sich an der unten genannten Faustformel orientieren oder eine Grafik heranziehen. Tipp: Die meisten Werkzeuge werden mit Standard-Unterlegplatten für 1,5 Grad Neigungswinkel ausgeliefert, damit können Sie die meisten Anwendungsfälle perfekt abbilden.

Eine falsche Unterlegplatte und der damit falsche Neigungswinkel ist die häufigste Ursache für Probleme beim Gewindedrehen. Der richtige Neigungswinkel erzeugt den notwendigen Flankenfreiwinkel an der Profilschneide. Sind diese Winkel ungleich oder zu klein, führt dies zu verstärkter Reibungswärme, was wiederum den Verschleiß erhöht und im Extremfall zu Vibrationen führt.

Formel für den Neigungswinkel der Unterlegplatte:

a = (20 P) / D

mit a = Neigungswinkel [°], P = Gewindesteigung, D = Durchmesser [mm]

4. Drehzahl und Vorschub einstellen

Nun gilt es die Maschinenparameter einzustellen. Wählen Sie die Spindeldrehzahl in Abhängigkeit von Werkstoff und Gewindesteigung. Tipp: Eine etwas geringere Drehzahl schont die Schneidkanten der Wendeschneidplatte. Der Vorschub muss ebenfalls so gewählt werden, dass er der gewünschten Gewindesteigung entspricht (mm pro Umdrehung).

Schritt 3: Der erste Schnitt
Sind alle Einstellungen abgeschlossen, fahren Sie das Werkzeug vorsichtig an den Startpunkt des Gewindes und stellen dann die Tiefe des ersten Schnitts ein. Hier kommt es ganz entscheidend darauf an, mit welchem Material Sie arbeiten. Während die Schnitttiefe bei rostfreiem Stahl relativ gering gewählt werden sollte und – je nach Steigung – bei 0,2 bis 0,4 mm liegt, dürfen Sie bei Aluminium deutlich tiefer schneiden und durchaus 0,5 bis 0,8 mm wählen. Starten Sie nun die Drehmaschine stellen Sie die gewünschte Tiefe des ersten Schnitts zu.

Schritt 4: Werkzeug weiter zustellen
Mit jedem Zustellvorgang wird das Gewindeprofil nun etwas sichtbarer. Korrigieren Sie nach jedem Vorgang die Zustelltiefe, sodass immer ein wenig Span abgehoben wird.. Führen Sie so viele Durchgänge durch, bis das Endmaß erreicht ist. Tipp: Beim letzten Schnitt nur mit wenig Zustellung arbeiten(Schlichtschnitt), um eine glatte Oberfläche zu erzielen.

Schritt 5: Nachbearbeitung und Qualitätskontrolle
Wenn das Endmaß erreicht ist, können Sie die Kante des Gewindes noch leicht anfasen. Dadurch entfernen Sie nicht nur gefährlich scharfe Kanten, sondern erleichtern auch das spätere Einschrauben des Gewindes. Mit einer Gewindelehre können Sie abschließend prüfen, dass Steigung und Profil den Vorgaben entsprechen. Im Anschluss sollten Sie das Gewinde noch auf Verunreinigungen prüfen und Grat gegebenenfalls entfernen. Fertig ist das selbstgedrehte Gewinde.


Ratgeber zum Thema Drehen

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